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Soziale Sicherheit

Lohn­neben­kosten: Kommen Kürzun­gen, kommen Pro­ble­me­

Das Thema Lohn­neben­kosten rückt derzeit wieder in den politi­schen Fokus. Doch die anvisierte „Senkung“ würde für Arbeit­nehmer:innen nur Verschlech­terungen bedeuten.

Andreas  Rauschal
19.03.2024
Ludwig Dvořák, Bereichsleiter Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz, AK Wien © Lisi Specht
© Lisi Specht
Ludwig Dvořák, Bereichsleiter Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz, AK Wien

Sprache schafft Wirk­lich­keit: Und so handelt es sich bei Lohn­neben­kosten weder um eine Neben­sache – noch bei der „Senkung“ um eine Maß­nahme, die Arbeit­nehmer:innen zugute­kommt. Ganz im Gegenteil: Tatsächlich steht das Wort Lohn­neben­kosten synonym für soziale Sicher­heit. Und jede Kürzung kann eine konkrete Ver­schlech­terung für die Beschäftigten bedeuten.


Nur die Unter­nehmen pro­fi­tie­ren von einer Kürzung der Lohn­nebenkosten­

Was sind Lohn­neben­kosten? Es handelt sich dabei um Arbeit­geber­abgaben auf den Bruttolohn. Diese Abgaben sind für den Sozial­staat von großer Bedeutung: Sie fließen nicht nur in die Pensions-, Kranken-, Arbeits­losen- und Unfall­versicherung, sondern auch in den Insol­venz-Entgelt-Fonds, die Abfertigung-Vorsorge­kasse oder die Wohn­bau­förderung.

Kürzungen bedeuten somit Ver­schlech­terungen bei wichtigen Leistungen: Wer die Lohnnebenkosten infragestellt, nagt an der Gesund­heits­versorgung sowie am Kranken- und Arbeits­losen­geld. Auch für Familien­beihilfe und Kinder­betreuungs­geld, für Schulen, Kinder­gärten und den öffentlichen Verkehr würden wichtige Mittel verloren­gehen. Es passiert also das Gegen­teil dessen, was politisch gerne behauptet wird: Dass eine Kürzung der Sozialstaats­beiträge den Beschäftigten zugute­kommt und ihnen dadurch „mehr Netto vom Brutto“ bleiben würde.


„ Mit einer Kür­zung der Lohn­ne­ben­kos­ten stellt die Re­gie­rung un­ge­deck­te Schecks aus, die letzt­lich die Arbeit­neh­mer:in­nen zah­len müs­sen .“

Ludwig Dvořák, AK Wien

Gewin­ne durch den Rot­stift

Während von Ent­lastungen für Arbeit­nehmer:innen also keine Rede sein kann, wandern die durch den Rotstift erzielten Gewinne direkt in die Taschen der Unter­nehmen. Wer hingegen doppelt verliert sind die Beschäftigten, die wahren Leistungs­träger:innen der Gesellschaft.

In der aktuellen Debatte stehen vor allem der Familien­lasten­ausgleichs­fonds (FLAF) und die Arbeits­losen­versicherung im Fokus. Es drohen weniger Familien­beihilfe und weniger Kinder­betreuungs­geld für Eltern in Karenz – sowie nicht zuletzt ein geringeres Arbeits­losen­geld. Dadurch würde die Armuts­gefährdung nach erfolgtem Jobverlust zunehmen.


Schwarze Unternehmensschafe

Gleichzeitig erhöhen schwarze Schafe unter den Unternehmen dem Sozialstaat zu. Ludwig Dvořák, Bereichsleiter Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz, AK Wien: „Manche Unternehmen verursachen durch fragwürdige Geschäftsmodelle hohe Kosten für den Sozialstaat. Beispiele wie die Ex-Firmen der Dots-Gruppe von Martin Ho, Signa oder Hygiene Austria zeigen das. Sie drücken sich um Sozial­versicherungs­beiträge oder hängen ihre Lohnkosten durch Insolvenzen der Allgemeinheit um. Beschäftigte und anständige Unternehmen, die sich an Gesetze halten, zahlen die Zeche dafür. Mit einer Kürzung der Lohn­nebenkosten stellt die Regierung ungedeckte Schecks aus, die letztlich die Arbeit­nehmer:innen zahlen müssen.“


Problemfall „Zwischenparken“

Der Kampf gegen unlautere Unternehmenspraktiken wäre daher zentral – samt Erstauftrag­geber-Haftung, einer Reform des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs­gesetzes mit wirksamen Strafen sowie mehr Personal für Finanzpolizei & Co.

Dies zeigt auch ein anderes Thema: das „Zwischenparken“ von Beschäftigten beim AMS unter dem Motto „Hire and fire“, in dessen Schatten das Thema Lohnnebenkosten beinahe doch nebensächlich erscheint. Gemeint ist die Unternehmens­praxis, Arbeitskräfte zu kündigen, wenn einmal, etwa saisonbedingt, weniger Arbeit anfällt, um sie nur wenige Wochen später wieder einzustellen. In Branchen wie Hotellerie, Gastronomie, Bau oder Leiharbeit alles andere als eine Seltenheit. Expert:innen der AK Wien haben berechnet, dass allein das „Zwischen­parken“ beim AMS der Arbeitslosen­versicherung im Jahr 2023 Kosten von bis zu 550 Millionen Euro verursacht hat.


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